Tonis letzte Reise
November 2000 holten wir ein kleines schwarzes Fellbündel mit dicken Pfoten und dickem Kopf (den sollten wir noch ausgiebig kennenlernen) aus dem idyllischen Auloh bei Landshut in die Großstadt nach München. So begann die lange Reisezeit von Antonia von der Trausnitz.
Die Stadt hat sie, wie so vieles andere in Ihrem Leben, stoisch ertragen. Besser gefallen hat es ihr auf dem Land und in den Bergen. Wie gut, dass wir in der letzten Häuserreihe vor dem Stadtrand wohnten. Denn ein Eurasier jagt nicht – wenn er keine Gelegenheit dazu hat, sonst fühlte sich Toni durchaus verpflichtet, Ihrer Wolfsnatur ab und zu nachzugehen…. Besonders gut passte es ihr auf Reisen, wenn das verzweifelte Herrchen und Frauchen gar nicht wussten, wohin Toni und später auch mit ihrer Tochter im Schlepptau den Hasen, Wildschweinen, Fasanen etc. nachgeeilt war. Aber wir lernten vom Hund – nämlich Gelassenheit.
Unsere Reisen ließen Toni die Österreichische und Schweizer Bergwelt kennenlernen; sowohl auf die Ötztaler Gletscher als auf den Aletsch-Gletscher auf dem Eiger setzte sie Ihre Pfoten. Die Fahrt durch die Eigernordwand und die Belohnung – Schnee im September hatten es ihr sehr angetan.
Die ersten Jahre begleitete uns Toni zu Tauchreisen auf die Kanarischen Inseln, später auch zum Wandern auf La Palma. Auch das Fliegen machte ihr nichts aus, kannte sie doch ihre Flugbox seit ihrer 2. Autofahrt, denn darin wurde sie spazieren gefahren. Hätten wir sie gefragt, hätte Toni gerne jeden November auf La Palma in der Sonne verbracht und nicht in München. Denn Regen hasste sie.
Toni durfte mit uns die Küsten der Adria in Kroatien, die Strände der Vendée in Frankreich und auch diverse oberitalienische, bayrische und mecklenburgische Seen erkunden.
Zweimal hat uns Toni zu stolzen Welpeneltern gemacht. Aus ihrem ersten Wurf blieb ihr einziges M
ädchen, schwarz wie die Nacht und die Mama bei uns. Danach war unser Glück doppelt so groß.
Dreimal in ihrem langen Leben war unsere Toni-Maus ernsthaft krank. Ihre Diabetes mit 8 Jahren wurde durch eine rasche Kastration reversiert, ihrem inoperablen Blasentumor mit 9 Jahren hat unsere kompetente Tierheilpraktikerin den Garaus gemacht und die altersbedingte Dünndarmentzündung sowie diverse andere Senioren-Probleme,hatte unsere langjährige und eurasiererfahrene Tierärztin medikamentös perfekt im Griff.
Die letzten beiden Jahre gab es gute und schlechte Tage für unsere alte Mausi, doch die guten überwogen bis zum Juli 2015. Die Gassistrecken wurden kürzer und immer lieber ließ sich Toni in ihrem Wägelchen schieben. Während der ersten heißen Tage im Juli fiel Toni nach dem Morgengassi um. Im kühlen Haus erholte sie sich rasch wieder. Auf Anraten der Tierärztin ließen wir sie jedoch umgehend scheren und Toni fühlte sich sofort besser. Doch es folgten viele heiße Tage, die – wie wir jetzt wissen – Tonis altes Herz schwer belasteten.
Unser Sommerurlaub war aufgrund der Hitze in den Norden, an die kühle Ostsee geplant. Dies sollte die letzte Reise große Reise für Toni werden. Wir wollten ihr von da an keinen größeren Ortswechsel mehr zumuten. Unsere beiden Wochen auf Usedom waren ein Jungbrunnen für Toni und auch uns. Im kühlen Wind lief sie gut und spielte sogar mit ihrer Tochter. Wo wir auch auftauchten, alle fragten, wer den dieser junge Hund sei. Mit geschorenem Fell sah Toni ja aus wie ein großes „Steiff-Tier“.
Mit unserer Rückkehr kam auch die Hitze zurück. Wieder fiel Toni um. Das alte Herz schlug nur mehr ganz schwach und sie konnte nicht mehr aufstehen. Die Untersuchung in der Tierklinik ergab die Diagnose „Alter“.
Vier Tage nach unserer Rückkehr mussten wir Toni gehen lassen. Mit der wunderschönen Erinnerung an 15 erfüllte Jahre und ihre wahrhaft «letzte Reise».